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Schloss Ippenburg

Artenreiche Auenlandschaft – Ippenburg belebt die Hunte

Ökologisches Leuchtturmprojekt von Unterhaltungsverband „Obere Hunte“ und Schloss Ippenburg.

Elf Hektar Artenvielfalt

Bad Essen. Eine beispielhafte Kooperation zwischen Gewässerentwicklung und Landwirtschaft und ein einzigartiges Projekt im Sinne von Nachhaltigkeit und Hochwasserschutz entsteht in der Gemeinde Bad Essen: In Zusammenarbeit von Unterhaltungsverband Nr. 70 „Obere Hunte“ (UHV 70) und Schloss Ippenburg werden auf einer Fläche von elf Hektar die dort bislang begradigte Hunte und die sie umgebenden Nutzflächen in eine artenreiche Auenlandschaft mit hohem Naherholungswert verwandelt.

Noch wirkt das Gelände wie eine Mondlandschaft. Wie Spielzeug nehmen sich die großen Baufahrzeuge innerhalb der riesigen Fläche aus: Diesseits der Straße tragen Bagger den Boden ab und übergeben ihn an die Kipper, die ihre Fracht jenseits der Straße wieder absetzen. Erdhügel an Erdhügel türmt sich dort auf. Der Mutterboden dient der Bodenverbesserung der gegenüberliegenden Ackerfläche. Es wird viel bewegt bei der Maßnahme, die unter dem prosaischen Namen „Ersatzflächenpool Schloss Ippenburg“ nicht weniger bewirkt, als eine neue Landschaft von hoher Biodiversität entstehen zu lassen.

Dort, wo seit der Landesgartenschau im Jahre 2010 alljährlich zu den Ippenburger Gartenfestivals die Bedarfsparkplätze ausgewiesen wurden, wird die Hunte sich wieder in einem gewundenen Bett räkeln dürfen, werden dem Fluss Ausuferungen erlaubt, erhält er Kissen aus Kies und Reisig, und darf im Schatten von Bäumen und Hecken plätschern oder ruhen – ganz nach Wetterlage und Jahreszeit.

Aus einer Fläche wird ein Raum

In einem ersten Schritt wurde der Schotter, der die Fahrwege der Parkplätze befestigte, abgefahren, dann der Mutterboden abgetragen. Im nächsten Schritt wird das Bodenprofil geformt und der Hunte ihr neues Flussbett bereitet. Und dann wird gepflanzt: Rotbuche, Stieleiche und Hainbuche als Leitgehölze, dazu Vogelhecken aus Holunder, Schlehe, Hundsrosen und anderen heimischen Gehölzen und am Ufersaum eine Blumen- und Gräserwelt aus Iris, Engelwurz, Ziest, Wasserdost, Binsen, Simsen… Im weiteren Gewässerumfeld ist Grünland vorgesehen, auf dem Gallowayrinder grasen dürfen. Kurzum: Aus einer monotonen, überwiegend ebenen Fläche, wird wieder ein dreidimensionaler Raum mit großer Artenvielfalt, der sich für jedermann über einen umgebenden Weg erleben lässt.

Für Schlossherrin Viktoria von dem Bussche, die mit ihren Festivals und Künstlergärten auf Schloss Ippenburg die Gartenszene in Deutschland stark beeinflusst hat, ist dabei der Aspekt der Umweltbildung bedeutsam: „Reine Wildnis, Chaos, wird seit jeher eher als Bedrohung verstanden, denn sie schließt den Menschen aus. Wollen wir aber den Menschen für seine Umwelt einnehmen, müssen wir seine Sinne erreichen – und das geschieht, indem er Natur als attraktiv empfindet.“ Auch wenn uns die Vernunft die Notwendigkeit ökologischer Maßnahmen längst vor Augen geführt habe, so erreiche man das Gefühl und damit die Akzeptanz erst in der Verbindung von Ökologie und Ästhetik.

Diese Verknüpfung sieht die Gartenexpertin auch als Basis für eine Einbindung des Projekts in das touristische Angebot des Landkreises Osnabrück als Wellness- und Gesundheitsregion, sowie der Gemeinde Bad Essen, die zum CittàSlow-Netzwerk gehört und sich als lebenswerter Ort in ursprünglicher Landschaft versteht. Übrigens: An den Ippenburger Hunteauen entlang führt auch der Bad Essener Schlösserrundweg, der die Schlösser Ippenburg und Hünnefeld als Rad- und Wanderweg miteinander verbindet.

Für den UHV 70 wiederum ist das Projekt die ideale Verknüpfung seiner hoheitlichen Aufgaben des Gewässerschutzes und der Gewässerentwicklung, letzteres auch und gerade im Hinblick auf die Dümmersanierung und die dazu getroffene Vereinbarung. Darin haben sich die Wittlager Gemeinden Bad Essen, Bohmte und Ostercappeln verpflichtet, ihre Kompensationsmaßnahmen aus der Bauleitplanung an die Gewässer zu legen. Durch Maßnahmen wie die vorliegende mit der Entwicklung linearer Gehölz- und Saumstrukturen, vor allem aber durch die Renaturierung eines Fließgewässers wird dieser Vereinbarung Rechnung getragen und lassen sich sehr rasch positive Effekte erzielen.

Erholung und Ausgleich

Dies deckt sich mit der Forderung, dass Kommunen, Investoren und andere Planungsträger Eingriffe in den Naturhaushalt über sogenannte Kompensationsflächenpools, in denen Maßnahmen zur Natur- und Landschaftspflege verwirklicht wurden, ausgleichen. Mit dem rund elf Hektar umfassenden „Ersatzflächenpool Schloss Ippenburg“ hält der Flächeneigentümer und Landwirt Philip von dem Bussche solche Kompensationsflächen vor – ökologisch um ein Vielfaches aufgewertete Flächen, die er zur Einlösung von Kompensationsverpflichtungen Dritter zur Verfügung stellt.

„Mit dieser freiwilligen Maßnahme wollen wir als Privateigentümer – gemeinsam mit dem UHV – einen Beitrag leisten, um der modernen Landwirtschaft und der Ökologie ein konstruktives Nebeneinander in der Kulturlandschaft zu ermöglichen. Hochwasserschutz, Biodiversität, Nährstoffentlastung, Ausgleich für Bebauung sowie Erholung in der Landschaft werden kreativ kombiniert. Wir stellen die Flächen zur Verfügung und werden unserer Pflegeverpflichtung im Sinne des Naturschutzes gerecht“, so von dem Bussche.

Mäander und Absenkungen für Retention und Gewässergüte

Der UHV 70 ist dabei sowohl Eigentümer des die Fläche durchlaufenden Gewässerabschnittes der Hunte, als auch mit der Umsetzung der Maßnahme auf dem gesamten Planungsraum betraut. Im Mittelpunkt seiner Anstrengungen steht dabei die Schaffung von Überflutungsflächen für die Hunte, die hier durch zwei neue Schleifen eine Laufverlängerung von rund 500 Metern erfährt und deren Lauf sich in diesem Abschnitt dadurch mehr als verdoppelt.

Mäander und Absenkungen bewirken die erwünschte Retention und Reduzierung der Fließgeschwindigkeit, durch die wiederum Sedimente und Nährstoffe zurückgehalten werden können. Hier geht es vor allem um die Verringerung des Phosphoreintrags in den von der Hunte gespeisten Dümmer, welcher immer wieder zu der für das Gleichgewicht des Sees so gefährlichen Blaualgenblüte führt. Mit der Maßnahme wird also seitens des UHV 70 sowohl der Hochwasserschutz wie auch die Gewässergüte von Hunte und Dümmer gefördert.

„Das Projekt ist allein schon durch seine räumliche Dimension einzigartig. Im Vergleich zu den uns üblicherweise zur Verfügung stehenden Entwicklungskorridoren können wir hier weitaus umfangreichere Maßnahmen anwenden, um Gewässerabfluss und Nährstoffeintrag zu drosseln und damit die Gewässergüte der Hunte und des Dümmers zu verbessern“, erläutert UHV-Geschäftsführer Uwe Bühning.

Insgesamt wird durch die Maßnahme ein einzigartiger Naturraum geschaffen – ein Biotop für Pflanzen, Fische, Vögel, Amphibien und Insekten, ein Leuchtturmprojekt in Sachen Klimaschutz und Klimafolgenanpassung.

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