++ SAISON 2025 ++ vom 1. Mai – 17. August 2025 ++

Schloss Ippenburg

Ach, Winter!

„Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen.“

Marcus Tullius Cicero 


Cicero hat recht. 

Ich frage mich manchmal, ob eigentlich alle Gärtner eine Bibliothek haben – oder anders herum: was machen Gärtner ohne Bibliothek die meiste Zeit des Jahres? 

Denn, betrachtet man das Jahr unter dem Aspekt der Gartenlust, ist die Phase des Glücks ja eigentlich recht kurz. 

Der Einfachheit halber halte ich mich bei der Berechnung an den meteorologischen Jahreszeitenkalender. Da beginnt der Frühling am 1.März und endet am 31. Mai. Der Sommer dauert von 1. Juni bis zum 31. August. 

Streng genommen, beginnt das, was wir Frühling nennen, nämlich das „ausschlagen“ der Bäume, diese ganze großartige Chlorophyll-Orgie, die uns mitreißt, begeistert, beglückt – und auf die wir den ganzen langen Winter hinfiebern, aber erst um den 1. Mai herum! Und die Eisheiligen, diese Unheiligen Winterzombies geistern doch tatsächlich, ungeachtet des Klimawandels, bis Mitte Mai durch den Garten. 

Ich meine: trotz Schneeglöckchen, Winterling, Narzisse und Tulpe —ohne das Grün, und besonders dieses frische, magische Maigrün der Bäume, ist das Ganze noch kein richtiger Frühling.

Genau genommen bleibt uns für die Gartenlust, diese wirklich, physische, existentielle Gartenlust, die, von der wir doch den ganzen Winter zehren, von der wir im Frühling träumen, in deren Bildern wir leben,  – nur ganze vier Monate des Jahres. Mai, Juni, Juli und August. Der Rest ist Herbst, Winter, Spätwinter, „Früh-Frühling“. 

Das ist skandalös. 

Hinzu kommt übrigens, dass der Herbst durch die Klimawandel-bedingte Intensität der Sonnenstrahlen und den u.a. daraus resultierenden Wassermangel, oft schon im August das Gartenbild beherrscht. Verrückte Zeiten.

Mir war schon immer klar, dass Gärtner unheilbare Optimisten sind – aber in Zahlen hatte ich das noch nie so klar vor Augen.

Komme ich noch einmal zurück auf meine Frage: Was machen Gärtner ohne Bibliothek die meiste Zeit des Jahres? 

Sie träumen, sie planen, sie putzen, sie ziehen Pflänzchen aus Samen heran, sie topfen um, sie pflanzen aus….und sie photographieren! 

Und wenn es draußen so richtig gräßlich grau und fahl ist und kein Leben zu sehen, außer Christrose, Schneeglöckchen und Winterling, die aus altem Laub hervorblitzen, dann schwelgen sie in den Frühling-und Sommerphotos und denken: das soll mein Garten sein? Wahnsinn. So üppig? 

Ja, auf die Kraft der Natur kann man sich verlassen. Das weiß der Gärtner und das macht seinen Optimismus aus.

Naja – und trotzdem braucht der Gärtner eine Bibliothek – zumindest eine Gartenbibliothek – auch wenn ich hier etwas über das hinausgehe, was Cicero eigentlich meinte – besser gesagt, seine Vorstellung von Bibliothek eher einschränke.

Gartenbücher gewinnen spätestens ab Februar, wenn uns Gärtner die planerische Unruhe beschleicht, an Bedeutung. Ob es um die Anlage neuer Beete oder die Zusammenstellung von Stauden, Rosen und Sommerblumen geht – Nachschlagen, Lesen, Schauen, Listen schreiben — da wächst der Optimismus!! Vor den Augen entstehen Paradiese – egal, wie es draußen aussieht!

Bücher sind gute alte, oder spannende neue Freunde. Ich habe eine riesige Gartenbibliothek – kein Wunder nach über 40 Jahren Gartenleidenschaft! Allein das Betreten des Raumes, in dem ich die Bücher in Regalen aufbewahre, erfüllt mich mit Lust und freudiger Erwartung! Was da alles wächst! Phantastisch.

Von November bis Januar lese ich gar keine Gartenbücher. Ich schau auch kaum in den Garten, mal abgesehen von den Glashäusern mit den Zitruspflanzen. Das ist der Winterschlaf. 

Da kommen dann die Bücher, die Cicero eigentlich meinte, zum Einsatz!

Am Schlimmsten sind die Monate März und April. Die Diskrepanz zwischen Phantasie und Realität ist selten größer und quälender. Der Wunsch nach Frühling, nach richtigem Frühling wächst ins Unermessliche, während es draußen kaum vorangeht.

Jetzt werden hartgesottene Frühlingsfanatiker einwenden, dass es doch die „Frühlingsboten“ gibt, die Frühlingsblüher, diese braven Muntermacher. Stimmt. Sie sind schön. Aber ihre Umgebung, dieses ganze blattlose Zeug drängt sich immer wieder in den Vordergrund. Und dann regnets, dann schneits – und so geht es immer weiter…..

Ach, Winter! Du dauerst einfach zu lang!

Ich hole mir einen Stapel Gartenbücher aus meiner Bibliothek, koche mir einen Ingwertee und beschließe, heute nicht mehr hinzuschauen.  

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