Heute ist er endlich da! Der verregnete Novembersamstag.
Seit Tagen streife ich immer wieder durch die Ippenburger Gärten auf der Jagd, besser gesagt, auf der Pirsch nach Wabi Sabi-Motiven.
Photos habe ich nun genug, fehlt nur der Text dazu.
Da meine „Vita Aktiva“ mich zur Zeit ganz fordert und das Umgraben von ´in die Jahre gekommenen` Staudenrabatten und von Fenchel und Erdbeeren zugewucherten Spargelbeeten alle Kräfte bindet, konnte ich mich nur gedanklich, Spatenstich für Spatenstich, dem Thema widmen.
Nun ist er da, der Regentag!
Wabi-Sabi in einem Blog erklären zu wollen, ist absurd, das Scheitern vorprogrammiert.
Ich empfehle deshalb das Buch von Beth Kempton, aus dem ich hier auch zitiere.
Schon in meinem 2007 erschienen Buch „Der Mensch, die Kunst und der Garten“ habe ich mich mit diesem faszinierenden Begriff, der Stille, Zufriedenheit, Vergänglichkeit und Melancholie umfasst, beschäftigt.
Seitdem begleitet mich diese japanische Weltanschauung, deren Kern die „Akzeptanz und Wertschätzung des unbeständigen, unperfekten und unvollkommenen Wesens alles Seins und die Würdigung einer einfachen und natürlichen Lebensweise…“ ist. (Zit.Beth Kempton, Wabi Sabi)
Als leidenschaftlicher ´homo hortulanus` gehe ich gerade im Herbst von früh bis spät voll und ganz in der „Vita Aktiva“ auf. Ich plane, zeichne, grabe, jäte und pflanze, bei Sonne, Sturm und Regen, getrieben von dem unzerstörbaren Optimismus des Gärtners, von dem Karel Capek schreibt. „Wir Gärtner leben irgendwie in der Zukunft; wenn unsere Rosen blühen, denken wir schon daran, dass sie im kommenden Jahr noch schöner blühen werden….Das Echte, das Beste liegt immer vor uns.“
Wäre da nicht dieses Wabi-Sabi- Gefühl, dass mich innehalten lässt, die Wabi-Sabi-Augen, die von den Formen und Farben der Vergänglichkeit magisch angezogen werden, der Wabi-Sabi-Blick für die Schönheit der sterbenden Natur und für den Mikrokosmos mit all seinen Wundern, seinen Verrücktheiten, seinem Zauber und ja, seiner Komik –—- die Schönheit des Herbstes würde an mir vorbeirauschen, bzw. bliebe für mich in meinem Arbeitsrausch unentdeckt.
Wabi-Sabi besteht aus zwei Wörtern, die tief in der japanischen Kultur, Literatur und Religion verwurzelt sind. Wabi, wörtlich „gedämpft, zurückhaltend“ steht für den ästhetischen Wert des Schlichten, der Schönheit im Einfachen. Sabi bedeutet „Patina, antikes Aussehen, geschmackvolle Schlichtheit, aber auch Stille. Das Adjektiv sabishii steht für „allein, einsam, verlassen“. Das Wort sabiru bedeutet „rosten, vergehen, Altersspuren zeigen“.
Wabi-Sabi ist Schönheit in der Vergänglichkeit. Stille, Schlichtheit und Schönheit, die man gerade jetzt im Herbst besonders gut spüren kann und festhalten in Photographie und Haiku.
Wer einmal angefangen hat, den Wabi-Sabi-Bildern nachzujagen, ist den ganzen Herbst und Winter gut beschäftigt. Und der Japaner erlebt zur Zeit der Kirschblüte auch im Frühling eine geballte Ladung Wabi-Sabi.
Wabi-Sabi ist eine Lebenshaltung. Die Welt mit Wabi-Sabi-Augen zu sehen, kann zu einem nachhaltigen Perspektivwechsel führen –nicht nur im Herbst. Das ist gerade in Corona-Zeiten ein interessanter Ansatz. Beth Kempton, die große Japankennerin, hat das in ihrem Buch wunderbar erklärt. „WABI SABI- Die japanische Weisheit für ein perfekt unperfektes Leben“, 2019 in deutscher Sprache erschienen.
Inzwischen hat der Regen aufgehört. Die goldene Herbstsonne spiegelt sich in den letzten nassen Blättern. Maßband, Mess-Winkel, Schnur, -Spaten und Grabeforke stehen bereit! Auf geht`s in meinen perfekt unperfekten Garten.